Aus dem "Er-Schöpfungs"-Tagebuch einer Tenoristin:
Vollendet ist das große Werk!
von Ulrike Paluszak

Die „Schöpfung“  ist vollbracht. Im Original hat es nur sechs Tage gedauert, wir brauchten länger als sechs Monate... Die Frage, ob Adam und Eva mit oder ohne Feigenblatt auftreten sollten, blieb allerdings ungeklärt. Sie sangen schließlich in schwarz, genau wie wir.

Die „Vorstellung des Chaos“ ist eigentlich nur für`s Orchester gedacht. Wir konnten sie aber am Anfang unserer Probenarbeit auch im Chor eindrucksvoll vermitteln. Zum Beispiel beim Üben der Sechzehntel-Läufe. Zitat Paul: „Das ist ja schon ganz gut, aber jetzt müssen wir noch die Ächz- und Stöhngeräusche da rauskriegen!“
- „Verzweiflung, Wut und Schrecken“, wie Joseph Haydn bzw. sein Texter schon vor gut 200 Jahren sehr zutreffend schrieb.

Als wir „Der Herr ist groß in seiner Macht“ zum ersten oder zweiten Mal komplett gesungen und uns dabei etwas verheddert hatten, bemerkte ein Kollege aus der folgenden Stimme: „Hoffentlich hat der Herr den Tenor nicht gehört!“ Den anderen Stimmen erging es wahrscheinlich ähnlich...

Aber: „Verwirrung weicht, und Ordnung keimt empor“ - mit der Zeit konnten wir „die Dünst` und Nebel“ aus den Stücken vertreiben und lernten das „rhythmische Jedöns“ der Fugen zu meistern. Mehr und mehr wurde aus dem Kirchenchor Marmagen der himmlische Chor oder der „Himmelsbürger frohe Schar“, die den zweiten bis sechsten Tag verkündigten. Ich werde übrigens nie mehr die „Schöpfung“ anhören können, ohne Uriel im Geiste singen zu hören: „...und die Söhne Gottes verkündigten den vierten Tag mit himmlischem Gebrüll...“  Wenn dies eine Chorstelle wäre, hätte es in der Aufführung peinlich werden können...

Paul hat`s nicht immer leicht mit uns: „Es könnte hilfreich sein, wenn ihr auf das hört, was ich sage.“  - „Und es ward so“, denn mit unendlicher Geduld brachte er uns tatsächlich des öfteren dazu, seine Ratschläge zu befolgen. Wir sattelten die Hühner, gaben unserem Zwerchfell eine Chance, lernten auf asthmatische Pausen zu verzichten und stattdessen weiterzuleben, um den Spannungsbogen nicht abreißen zu lassen. Nicht leicht war auch die Sache mit dem Phrasieren, denn: „Ein Grundpfeiler der Wiener Klassik ist das richtige Abfrisieren der Töne!“ Ach so. Genau so wichtig wie die Tatsache, dass alle Beteiligten im selben Tempo singen sollten: „Ihr, ihr Tiere bleibet all` im Takt!“

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass wir wieder mal ein rundum gelungenes Projekt auf die Beine gestellt und dabei eine Menge Spaß gehabt haben. Dies ver-danken wir hauptsächlich Paul, der seine Ideen hartnäckig, optimistisch und mit pädagogischer Raffinesse in die Tat umsetzt. Und sich in der heißen Phase auf die Unterstützung durch Prof. Görgen verlassen kann, der unerschütterlich am Klavier ein ganzes Orchester ersetzt und sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt.

Also dann – auf zu neuen Werken:

Auch unsre Freud erschalle laut, des Herren Lob sei unser Lied!